#Free the Penis? Rick Owens & der Fashion-Skandal

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Busenblitzer und Nippelalarm auf dem Catwalk kennen wir ja bereits zu Genüge. Damit lässt sich so schnell niemand mehr hinterm Ofen hervorlocken – um einmal bei schlechten Klischees zu bleiben.

Rick Owens hat den Spieß bei seiner Show Paris jetzt aber einfach mal umgedreht und damit für ziemlich viel Wirbel gesorgt. Geschickt hat der Designer, der ohnehin als „King of Kinkiness“ gilt, nämlich schwupp di wupp an einer ziemlich markanten Stelle ein Faust großes Loch in die Tuniken seiner neuesten Herrenkollektion geschnitten und ein Piece dabei direkt so kurz designt, dass beim Laufen doch tatsächlich das beste Stück eines der Models entblößt wurde. (Ich habe beschlossen, das Bild an dieser Stelle nicht zu zeigen. Wer es sehen will braucht lediglich zu googlen. Doch sollte keiner vergessen, dass an dem breit thematisierten Gegenstand auch noch Mensch hängt, von dem die Öffentlichkeit bisher absolut nicht weiß, in wie weit er mit seiner Nacktheit auf allen Kanäle überhaupt einverstanden ist.)

Der Aufreger war damit perfekt und man dürfte wohl davon ausgehen können, dass diese Freizügigkeit kein bloßer Zufall war. Schließlich gewinnt am Ende einer Fashion Week doch der, der es schafft die größte Aufmerksamkeit zu erregen.

Doch was noch viel diskussionswürdiger scheint, als die Frage, ob es sich dabei jetzt um eine geplante Aktion handelt oder nicht, sind die vielen empörenden Reaktionen, die Owens nicht nur innerhalb der Modewelt, sondern durch das gesamte Netz entgegenschlagen. Irgendwie ist es nämlich doch ein zweischneidiges Brett. Zum einen scheinen freie Liebe und Offenheit im Umgang mit dem eigenen Körper ausgedient zu haben. Die Gegenwart zeigt sich wieder um einiges prüder, als ihre Eltern und Großeltern, die 68er, es ihnen vorgelebt haben. Von wegen „alles ist politisch“. Der Körper scheint zunehmend wieder in den Bereich des Privaten zu wandern und vor allem in den sozialen Netzwerken, wie Instagram greift bei zu viel Nacktheit nicht selten die Zensur, der dann sogar die Profile von vielgeklickten Promis zum Oper fallen.

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Zum anderen – und das ist vielleicht sogar noch markanter – ist der Aufschrei doch vor allem auch deshalb so groß, weil wir es nicht gewohnt sind, den Mann öffentlich im buchstäblichen Adamskostüm zu sehen. Die Sexualisierung des Körpers hat sich nun einmal Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte, lang auf das Entblößen des Weiblichen konzentriert, da wirkt ein nackter Mann mit einem Mal ganz schön irritierend.

Busen, Ärsche, nackte Haut, geht es um den weiblichen Körper sind wir diesen Anblick längst gewohnt. Werbung und Medien bedienen sich rege an den verfügbaren Normkörpern, setzen sie in Szene und machen uns glauben, dass sich mit einem Fünkchen Sex praktisch jedes Produkt besser verkaufen lässt. Bereits seit der Antike ist die Frau an das Schöne gekoppelt, sie verkörpert das Ästhetische, das ZuBetrachtende. Der Mann hingegen ist der, der sich durch seine Taten in Erscheinung tritt, er beobachtet und erschafft die Frau durch seinen Blick, so haben es schon Theoretikerinnen wie Laura Mulvay beschrieben. Gut, jetzt könnte man vielleicht argumentieren, dass die Entblößung der Frau, jenseits einschlägiger Porno-Genres, sich meist auf die Darstellung der weiblichen Brust, ergo der sekundären Geschlechtsmerkmale konzentriert. Aber mal ehrlich, davon haben Männer nicht all zu viele aufzuweisen oder was sollte, das mal abgesehen vom relativ geschlechtsübergreifendem Reizfaktor Po sonst sein? Eben, es bleibt für den gelungenen Skandal also nur das primäre Geschlechtsmerkmal, der Penis, zu entblößen.

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Nur vielleicht sollten wir alle aber einfach die Sache mit dem Skandalösen aus unseren Köpfen verbannen. Tabus entstehen dort, wo eine Gesellschaft sie selbst schafft. Außerdem werden viele Männer bestätigen können, dass die Sache mit dem Penis oder zumindest das Gerede darüber, in der Gruppe irgendwo einen Platz zwischen Balzgehabe und Hackordnungskämpfen einnimmt. Und spätestens seit Sex and the City und GIRLS dürfte auch mit dem Mythos gebrochen sein, dass Frauen anfangen hysterisch-debil zu kichern und gleichzeitig leuchtend rot anlaufen, wenn sie vom besten Stück des Mannes sprechen. Wenn wir uns also ohnehin schon verbal so viel mit dem Penis und seiner Erscheinung befassen, warum haut uns dann ausgerechnet sein Anblick so sehr aus den Socken. Am Ende ist und bleibt das Ding, ähnlich der weiblichen Brust, eben auch nur ein Stück Fleisch, dass für den einen reizvoll ist für den anderen wiederum eine bestimmte Funktion erfüllt.

In diesem Sinne: Empörung ist das, was eine Gesellschaft daraus macht.