#nichtschön. YouTuberinnen gegen das Diktat des „Immerschönen“

Frauen und Schönheit, das ist eine ganz eigene Geschichte, in der, so gesehen, mehr Fluch als Segen steckt. Bereits in der Antike haben schöne Frauen ganze Imperien zu Fall gebracht und auch die römische Mythologie ließ wenig Zweifel an der Gefährlichkeit von Schönheit für jegliche Form der Rationalität. Im Mittelalter nannte man das Ganze dann schnell Hexerei und verbrannt die Damen auf dem Scheiterhaufen, bis einige Jahrhunderte später ein paar findige Werbeleute, allesamt Herren, auf die grandiose Idee kamen, dass das Weibsbild wohl am besten in Schach zu halten sein, wenn es seine ganze Aufmerksamkeit auf das Bestellen des eigenen Äußeren lenkt. (Platte Stereotypien bitte ich an dieser Stelle zu entschuldigen.) Auch heute, in einer Zeit, in der Frauen längst nicht mehr nur noch für Heim, Herd und Kinder verantwortlich sind, kennen wir, die wir in einem weiblichen Körper stecken – oder uns geistig als Frau fühlen –  dieses Diktat nur zu gut. Und so gerne wir uns eigentlich frei davon machen würden, so ganz schaffen das tatsächlich wohl die wenigsten. Und wie sollte das auch funktionieren? Schließlich wird uns doch permanent vorgeführt, wie wichtig unser Äußeres für das soziale Bestehen ist. Fast scheint es sogar so, als bestimme es maßgeblich unser Wesen.

Das fängt schon von kleinauf an: Als Kinder spielen wir mit Barbie, einer perfekten Superfrau, bei der die Differenz zwischen Taille und Busen übrigens so groß ist, dass sie nicht einmal lebensfähig wäre. Kaum sind wir dann in der Pubertät, erzählen uns Teenie-Magazine und die Erwachsenenwelt, dass Make-up uns dabei hilft uns und anderen zu gefallen, dass unsere Haare so und so zu sitzen haben, dass unser Körper – sofern er nicht eine dieser superschlanken Ausnahmen ist – sowieso unser größtes Schlachtfeld darstellt und wir, achja,  bitte irgendwie auch nicht zu viel Köpfchen haben sollten. Klingt wieder nach einem Klischee? Wenn man all die Aussagen, die uns tagtäglich begegnen auf den kleinsten, gemeinsamen Nenner herunter bricht, ist leider genau das oft die Quintessenz. Auch die Werbung ist da nicht besser. Die Formel „Sex sells“, kennt wahrscheinlich jeder von uns. Dass es dabei hauptsächlich um die Zurschaustellung weiblicher „Objekte“ geht, muss man an dieser Stelle wohl auch nicht noch einmal extra betonen.

Zwar häufen sich seit einer Weile jene Versuche, die den Spieß umkehren und uns aus dem Korsett permanent Makellosigkeit herausholen wollen. Doch scheitern sie entweder, wie das Beispiel Brigitte zeigt, an mangelndem (finanziellem) Erfolg beim Mainstream oder sie erscheinen, wie im Fall der aktuellen Bras for all Sizes-Kampagne in der Vogue, als gezielt gesetztes Bonbon, um Aufmerksamkeit zu erregen – was letzten Endes trotz allem einen ziemlich bitteren Beigeschmack hinterlässt. Oder glaubt hier irgendeiner tatsächlich daran, dass sich nur wegen einer einzelnen Fotostrecke, die nebenbei bemerkt, Konfektionsgröße 38 als Plus Size definiert, jetzt das gesamte Erscheinungsbild der global führenden Modebibel ändert?

Ehrlicher kommen dahingegen andere Kampagnen und Debatten, wie #aufschrei oder die des Vereins 301+ daher. Bei letzterem handelt es sich um ein relativ junges Projekt, zu dem sich bekannte Youtuberinnen zusammengeschlossen haben, um unter dem Hashtag #nichtschön zu zeigen, dass sie weit mehr sind, also nur eine schmucke Hülle. Ohne viel Brimborium, in schlichtem Schwarz-Weiß gehalten, verleihen die Frauen auf dem Screen der Diversität von Weiblichkeit einen ganz persönlichen Ausdruck.

Dabei gehe es nicht in erster Linie darum, gegen einen männlichen Sexismus zu protestieren. Vielmehr sehen die Macherinnen ein großes Problem unseres Gesellschaft – und vor allem der Onlinesphäre darin – dass Frauen sich gegenseitig unter Druck setzen und an sich einen weit höheren Maßstab anlegen, als viele Männer es überhaupt jemals tun würden. „Wenn ich die Kommentare unter den Videos von anderen YouTuberinnen lese, dann geht es ganz oft einfach darum, ob die Frauen darin schön sind oder nicht – auch wenn das mit dem Inhalt der Videos gar nichts zu tun hat. Wenn es beispielsweise um Nachrichten oder persönliche Dinge geht…“, betont Marie Meimberg, Iniziatorin der Aktion im Gespräch mit Spiegel Online. Die Vielzahl dieser Kommentare und die Blindheit vor dem eigenen Dilemma, sind es, die sie schließlich dazu gebracht haben, sich mit anderen zusammenzutun, um auf diesen Missstand aufmerksam zu machen.

Wir, die sich selbst tagtäglich im Netz bewegen und die nur, weil sie über Mode schreiben und manchmal ihre Outfits posten, längst auch nicht nur auf ihr Äußeres und die Frage, ob sie nun schön sind reduziert werden wollen, stimmen selbst nur zu gerne ein. Denn wir sind Köpfchen, wir sind manchmal etwas verquer, wir sind Frauen, Organisationstalente, Schlafmützen, verträumt, manchmal ziemlich launisch. Eben einfach Awesome und #nichtschön.