Die böse Menstruation? Die kulturelle Angst vor der weiblichen Regel
Manchmal werde ich das Gefühl nicht los, dass sowohl in der virtuellen Welt, als auch auf dem analogen Globus etwas ganz und gar falsch läuft. Wie sonst ließe sich die mediale Debatte um ein paar Instagram-Schnappschüsse beschreiben, die doch eigentlich nichts als die Natur darstellen wollten. Doch fangen wir von vorne an: Rupi Kaur ist eine kanadische Künstlerin, die sich vornehmlich mit Fotografie beschäftigt und Auszüge ihrer Arbeit regelmäßig auf Instagram postet. Für eine aktuelle Fotoserie hat die Dame eines jener Themen gewählt, das den weiblichen Körper eigentlich wie kaum ein anderes prägt, nämlich die Menstruation. Und genau an dieser Stelle beginnt dann auch schon das Problem. Nachdem Rupi nämlich eines der Bilder aus ihrer Reihe auf ihrem Instagram-Account veröffentlicht hatte, das – so viel sei an dieser Stelle betont – die Rückansicht einer vollständig bekleideten Frau zeigt, auf deren Jogginghose sich aber an einer entscheidenden Stelle ein Blutfleck abzeichnet, löschte die soziale Plattform das Bild bereits kurz danach wieder. Von da an unternahm Rupi einige Versuche ihr Foto immer wieder upzuloaden. Doch jedes mal wurde es aufs Neue von der bunten Bilderplattform verbannt. Von einem Fehler des Betreibers konnte mittlerweile eigentlich längst keine Rede mehr sein, zumal auch andere feministische Künstlerinnen bereits ihre Erfahrung mit der Zensur durch Instagram machen durften. Trotzdem startete Rupi noch einen Versuch und konfrontierte Instagram dieses Mal zugleich in einer ziemlich direkten Nachricht damit, wie lächerlich sie es fände, dass ihr Foto augenscheinlich aufgrund der Tatsache, dass hier die Regelblutung einer Frau visualisiert sei, als anstößig eingestuft werde, während parallel haufenweise halbnackte Selbstinszenierungen von minderjährigen Mädchen durch Instagram ihren Weg ins Netz finden würden. Und siehe da, mit einem Mal, durfte das Bild in ihrem Feed bleiben. Instagram kontaktierte die Künstlerin außerdem sofort und entschuldigte sich offiziell. Es hätte sich um ein Versehen gehandelt, dass ihre Foto entfernt worden sein. Ja, ne, ist klar! Doch wie dem auch sei, geht es in dieser Sache eigentlich weniger um die vermeintlichen Zensurmechanismen Instagrams, als viel mehr um ein viel essentielleres Problem… Und damit wären wir auch schon beim Kern der Sache. Denn sind wir mal ehrlich, als Frau kommst du in der Regel nicht um deine „Regel“ (Sorry für diese platte Wortspiel) herum – außer du hilfst durch Hormone, sprich die Antibabypille, künstlich nach. Und ich würde auch einmal behaupten, die meisten Damen sind nicht gerade scharf darauf, einmal im Monat mit Tampons und Binden zu hantieren oder sich in der morgendlichen Hektik zusätzlich noch Gedanken darüber machen zu müssen, ob es für den Fall der Fälle nicht klüger wäre, in die dunkle Hose zu schlüpfen. Von den körperlichen Beschwerden, wie Magenkrämpfe, Kopfschmerzen oder Wasseransammlungen in den Gliedmaßen ganz zu schweigen. Da bin ich selbst keine Ausnahme. Aber darum geht es hier auch gar nicht! Die Tatsache ist nämlich die: Dieser verhältnismäßig kleine rote Fleck auf der Hose löst in unserer Gesellschaft anscheinend einen derart großen Ekel aus, dass er schneller wieder von der Bildfläche verbannt werden muss, als wir den Begriff Menstruation überhaupt in unser Smartphone tippen können. Ohnehin scheint das Phänomen körperlicher Ausscheidungen für viele von uns im Allgemeinen ein ziemlich großes Problem darzustellen und das der Monatsblutung eben noch einmal ganz besonders. Liegt es aber vielleicht an der Substanz Blut per se? Schließlich gibt es genug Menschen auf unserem Erdball und auch in meinem weiteren Bekanntenkreis, die beim Anblick des kleinsten Tropfens der roten Flüssigkeit das blanke Grauen packt. Ich behaupte, ja und nein. Denn Ekel, so natürlich er uns erscheinen mag, ist in erster Linie etwas, das in unseren Köpfen entsteht und dabei spielen nicht selten kulturelle Gegebenheiten und herrschende soziale Konventionen eine tragende Rolle. Denn mal ehrlich, den Bezug zu unserem Körper mit all seinen natürlichen Ausdünstungen, etc. haben wir doch irgendwie längst verloren. Die westliche Welt mit all ihrem Drang nach Fortschritt, Funktionalität, Leistung und Perfektion hat dafür weder Platz noch in irgendeiner Weise Verwendung. Das geht auch an der Physis des Menschen nicht spurlos vorüber. Vor allem Frauen sehen sich leider auch heute immer noch viel zu oft in die Rolle der Schönen gedrängt. Angepasst an aufoktroyierte Normen wird der weibliche Körper geformt und stilisiert, wobei darauf nicht selten auf eine Oberflächenästhetik zurückgegriffen wird, wie wir sie auch aus der Werbung und dem Produktdesign kennen. Ein Blick auf die Cover diverser Frauenzeitschriften genügt, um zu verstehen, was ich meine. Unsere Körper haben sich zu Hochglanzfolien entwickelt, die permanent am Maßstab der Perfektion gemessen werden. Was nicht dem reinen glatten Bild unserer verzerrten Sehnsüchte entspricht, das gilt als Makel und wird meist tabuisiert. Das wir um das Trugbild wissen, ändert leider oft nichts an diesem Missstand. Denn selbst die überzeugtesten Kämpferinnen um ein freies Körperbild packt hin und wieder das Grübeln über die vermeintlich eigenen Fehler. So ist auch die monatliche Regelblutung zu einer Art weiblichem Stigma geworden, einer scheinbaren Schwächen, die es aus unserem Leben auszuklammern gilt, um das Idealbild von uns zu erhalten. Dem Aberglaube nach galt das Menstruationsblut sogar als schädlich oder giftig. An einigen Ecken der Erde glaubt man leider sogar heute noch daran. Die Folgen sind für die betroffenen Frauen nicht meist verheerend. Nicht zuletzt wohl aus diesem Grund empfinden wir einen Blutfleck zwischen den Beinen nach den Maßstäben unserer Gesellschaft heute fast anstößiger als beispielsweise halbnackte, jugendliche Körper. Zumal die durch den Faktor der Jugendlichkeit ohnehin genau jenes Paradigma darstellen, nachdem unser glattgebügeltes Normverständnis lechzt. Haarlose Wesen, an denen der Zahn der Zeit noch nicht genagt hat. Leben in seiner prallen Fülle sozusagen. Und das ist letzten Endes doch irgendwie die eigentliche Perversität unserer gegenwärtigen, sozialen Realität – und nicht die Tatsache, dass eine erwachsene, fruchtbare Frau monatlich etwas Blut durch eine ganz bestimmte Körperöffnung verliert. Ich behaupte noch einmal: Keine Frau ist scharf auf ihre sogenannte Erdbeerwoche. Aber sie kommt nun einmal, wie sie eben auch wieder geht – zumindest bis zur Menopause, dann bleibt sie schließlich ganz weg. Alles kein Weltuntergang und damit sollten sich beide Geschlechter endlich abfinden. Denn mehr noch als Frauen, scheinen leider viele Männer hartnäckig an den Mythos der bösen Periode zu glauben. Aber wieso auch nicht, schließlich stecken sie in einer anderen Haut. Nur wenige nehmen sich dagegen wirklich die Zeit und entwickeln ein Interesse für das, was da eigentlich im weiblichen Körper so alles abläuft. Und spätestens, wenn die Regel bei der Freundin dann doch mal ausbleibt, ist das Jammern mindestens genauso groß. In diesem Sinn: Keine Sorge, Mädchen! Das ist alles normal, das muss sogar so sein!
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