Interview mit Carolin Würfel über Ingrid Wiener | Vogue Online

Dieses Interview erschien am 25. Juni 2019 auf Vogue.de

„Wenn jede Frau so selbstbestimmt leben würde wie Ingrid, dann bräuchten wir [den Begriff Feminismus] wahrscheinlich gar nicht“ – Buchautorin Carolin Würfel über Ingrid Wiener

„Ingrid Wiener ist eine Frau, die sich schwer greifen lässt, die leicht entwischt und immer etwas Abstand hält. So, als gehöre sie nicht ganz zu uns und unserer Welt.“ Die Journalistin und Autorin Carolin Würfel hat über sie ein Buch geschrieben. „Ingrid Wiener und die Kunst der Befreiung“ ist aber keine klassische Biografie, sondern vielmehr die persönliche Auseinandersetzung mit einer Künstlerin, Köchin und Frau, die sich nie um Konventionen geschert hat, die Abenteuer dem Stillstand vorzieht und die ihre Weiblichkeit nie als Einschränkung sah.

Zum ersten Mal hört Carolin Würfel von Ingrid Wiener, als sie in der Galerie Barbara Wien in Berlin vor einem ihrer Wandteppiche steht. Knapp fünf Jahre ist das her. Seitdem lässt sie die Geschichte der gebürtigen Wienerin, die in den 1950ern und 1960ern zwischen Existentialist(inn)en, Künstler(inne)n und Schriftsteller(inne)n aufwuchs, die die Wiener Kunstwelt maßgeblich mitprägte und die Anfang der 1970er-Jahre gemeinsam mit Michel Würthle und ihrem Ehemann Oswald Wiener in Berlin das „Exil“ gründete (jenes legendäre Restaurant, in dem bald schon David Bowie, Iggy Pop oder Max Frisch ein- und ausgehen sollten), nicht mehr los. Aus einem Impuls heraus schreibt Carolin Würfel Ingrid Wiener einen Brief. Es folgt die Einladung zum Ehepaar Wiener in die Steiermark. Aus dem einen Treffen werden schnell weitere, und mit jeder weiteren Anekdote wird Würfel klarer: Über diese Frau muss ein Buch geschrieben werden. Wir haben mit ihr darüber gesprochen.

Vogue: Frau Würfel, wann und wie ist die Idee zum Buch entstanden?

Carolin Würfel: Zum ersten Mal erfuhr ich von Ingrid Wiener in der Galerie Barbara Wien. Barbara, die ich sehr schätze, war es auch, die vorgeschlagen hat, dass ich mich mit Ingrid einmal treffen sollte. Als ich dann die Videobriefe zwischen Ingrid und Dieter Roth angeschaut hatte, war ich total fasziniert. Zum ersten Mal habe ich Ingrid dann auf dem Rückweg einer Italienreise besucht. Damals hatte ich noch keine Ahnung, was ich mit dem Treffen genau bezwecken wollte.

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